Morgens machen wir uns wieder auf den weg nach beaver lake.
Das Wetter ist mild, der See liegt still, unser Angelguru verkündet bestes Fischwetter. Petri Heil, wir schlurfen also zum Bootsverleih und arbeiten unterwegs die Logistik aus: J., Opa und ich fahren zuerst Boot. Bevor wir lostuckern bringen wir den Rest der Arbeitsgruppe zum Badestrand von gestern. Nach ca 40 min legen wir dort an und tauschen J. aus mit E. und kleiner R., uns später wechseln wir E. und R. um in M. und J., etc, usw.
Zurück vom Badestrand schließen wir Bootsmietvertrag und kaufen einen spoon zum Hechtfischen. Die Widerhaken müssen abgebrochen oder plattgedrückt werden, denn in Canada ist Fischen mit Widerhaken verboten. So können zu kleine oder zu illegal gefischte Fische ohne grössere Verletzungen zurückgeworfen werden. Manche Fischer fischen nur auf diese Weise. Sie werfen alles wieder ins Wasser, denn es gut ihnen nur um die rod action. Mit Opas roter Zange quetschen wir den Haken in die Legalität.
Die Wegfahrsperre (Stöpsel im Schiffsrumpf) ist aufgehoben, der Tank voll, man hat uns erklärt wie wir den Motor wieder starten können wenn er aus geht, wo sich Unterwassermauern befinden, über die wir nicht fahren dürfen und wo die besten Fanggründe sind. Im Notfall per Handy anrufen. Wir verstehen in aller Aufregung nichts, und fahren halt mal los. Handy liegt leider im Auto. Es schaukelt ungewohnt, aber wir machen trotz innerer Unruhe professionelle Fischersvisagen, die die überlegen Ruhe der Erfahrung ausstrahlen.
Erst mal ein paar Trockenübungen. Dann fischen wir mit Schlepptechnik. Angel auswerfen, bij langsamer Fahrt einholen. Auswerfen, immer wieder. übers Wasser starren, Fischtechnik besprechen, dem Kabbeln lauschen, kurbeln; nicht viel passiert, aber alles ist aufregend. Weil nix anbeisst, sorgt Opa anstelle van rod action für boat action. Wir sausen wie Seepiraten kreuz und quer über den See und alle Unterwassermaueren.
Zug an der Leine! Aber nein, der widerhakenlose Haken sitzt fest im subaquatischen Gestrüpp. Opa fürt komplizierte Manöver aus, ich zerre und spule, die Leine verheddert zich, aber mit vereinter Mühe und Anstrengung gelingt die Entknotung. Ich werfe gleich wieder aus, und schon wieder Zug, aber, ich merke es gleich, anders, flexibel, zuckend, lebendig. Ein armes Tier hängt fest! "Ich hab einen, ich hab was!" rufe ich unsicher und erschrocken. "Leine straff halten!" ruft Opa. Sein Augen strahlen jagdlustig. Der Kampf hat begonnen. Fisch kriegt Leine, saust weg, dass die Spule summt. Sobald er aufhört fang ich an zu kurbeln und ziehe ihn in Richtung Boot. Immer wieder geht das so. Manchmal springt der tapfere Gegner vor dem Boot aus dem Wasser. "Ein Hecht, gute Größe!" meldet unser Skipper. Ich hab nix gesehen aber glaube alles. Endlich wird Freund Hecht müde, Opa legt den Käscher klar, die schwierigste Aktion beginnt: Fisch aus dem Wasser kriegen, ohne dass Leine oder Haken sich im Netz verheddern. Es klappt. Schnell messen ob der Fisch lang, i.e. alt genug ist, ja! Ich greife zur roten Zange und schlage dem kämpfenden Tier 2mal auf das Gehirn. Das Leben zittert noch kurz nach, dann ists geschehen, mein erster Fang! Ich füle mich wie ein Neanderthaler. Leben und leben lassen, das ist die Basisstrucktur der Welt. Der kulturelle Schleier ist für einen Moment aufgehoben, die nackte Wahrheit blinkt vormoralisch kurz auf. Epiphany.
Ich hatte das Fischen eigentlich aufgegeben, nachdem ich in meiner Jugend, auch auf einem kanadischen See, aber östlicher, irgendwo in der Nähe von Manitulin island einen Haken mit Widerhaken in der Nase meiner Bruders versenkt hatte. Vom Schreck über die dumme und Misse-tat beherrscht, ruderte ich in wildem Zickzack zum Ufer, aber als wir ankamen hatte der Bruder den Haken selbst schon aus der Nase gezogen. Hilflosigkeit und Schuldgefühl wallen noch immer herauf aus dem Dunkel der Vergangenheit, wenn ich daran danke. Nun, dieses mal hab ich aber doch einen Fisch erwischt.
Die Aufregung ist nun allerseits sehr groß, J. ist völlig aufgedreht, obwohl er beim Fang leider nicht an Bord was. Wir besorgen Eis, nehmen einen kleinen Imbiss (Großmutterns Terminologie) und fahren zur Beruhigung und Buße unseres Mordes noch bei der Lac la Biche Mission vorbei.
Dann schnell nach haus. Meister Fisch wird fachgerecht zerlegt, auf dem Fischschlachtblok unter freiem Himmel, so wie er gelebt hat. Es handelt sich um ein Weibchen. Opa lässt J. alles sehen: Leber, Darm, Eierstöcke.
Der Hunger ist jetzt groß. Wenn's Essen endlich fertig währe, kriegte man keine Warteschwähre!
Aha, das Packet wird geöffnet.
Oh, ah, lekker. Sicher, für den Hecht war es kein guter Tag. Aber wir haben dich immerhin mit Verehrung und Hingebung aufgegessen, das ist doch auch was, Hecht, oder nicht?